Coming-of-Age-Filme

Coming-of-Age, ein beinahe magisches Wort und ein Filmgenre, mit großer Anziehungskraft und vielen Spielarten. Irgendwie lieben wir alle diese Filme, egal ob wir 16 oder 66 Jahre alt sind. Warum eigentlich?

You are so not invited to my Bat Mizwah (c) Netflix

Da ist natürlich der Zauber der Jugend: Neue Erfahrungen, Liebe und Freundschaft und ein großes Gefühl von Freiheit. Dazu dramaturgisch immer spannend und sehenswert: Die Ablösung von den Eltern. Konflikte, Reibungsflächen. Viel Drama und am Ende immer ein Erkenntnisgewinn, ein neues Ich. Ein Leben, das besser ist als davor. Mal tragischer, mal komischer und meistens mit richtig guter Musik. In Coming-of-Age-Filmen ist gefühlt alles drin, was einen guten Film ausmacht. Notiz am Rande: In jedem Film geht es immer (auch) um Liebe.

Anders als die anderen

Im Alter von sagen wir mal…12 bis 18…ist es gefühlt ein Normalzustand sich auch im echten Leben anders zu fühlen. Nicht verstanden werden, vielleicht Außenseiter*in sein. Fast jeder Coming-of-Age-Film erzählt von diesem Gefühl. Und doch gibt es einige Filme, in denen die Held*innen jung und besonders mit „Anderssein“ konfrontiert sind oder sich zumindest so fühlen. In „Vielleicht lieber morgen“ erzählt Stephen Chbosky von Charlie, der seit seiner Kindheit mit psychischen Problemen ringt und sich schwer tut mit Freundschaften. Doch dann trifft er an der Highschool die Geschwister Sam und Patrick und hat plötzlich das Gefühl, wo dazuzugehören. Begleitet von einem super Soundtrack ist das einer der besten Filme des Genres überhaupt.

Vielleicht lieber morgen (c) Leonine

Im Jahr 2000 war das Non-Plus-Ultra der Film „Crazy“, nach dem autobiografischen Roman von Benjamin Lebert: Der halbseitig gelähmte Benni findet im Internat ein neues Zuhause und verliebt sich zum ersten Mal.

Anderssein kennt auch Joachim, denn er wächst im Areal einer psychiatrischen Klinik auf – die Filmadaption von Joachim Meyerhoffs Beststeller „Wann wird es endlich wieder so wie es nie war“ ist einer der schönsten Filme, die ich in letzter Zeit gesehen habe und wird der tollen Vorlage gerecht.

Wann wird es endlich wieder so wie es nie war? (c) Sony Pictures

In „Ein Tick anders“ lebt Eva ein zurückgezogenes Leben, denn mit dem Tourette-Syndrom ist sie eine Außenseiterin. Doch eine Leiche, ein Umzug und der sympathische Uwe bringen mehr Veränderung in ihr Leben als ihr lieb ist.

Die Welt ist eine Bühne. Und wir spielen eine Rolle.

Okay, in gefühlt jedem Highschool-Film geht es um Gruppenbildung, soziale Rollen und Klischees. Aber dann gibt es manche, die herausstechen, weil sie jugendliche Identitäten und Rollen, auch wenn überzeichnet, stimmig abbilden und die „Typen“ feiern. In „The Breakfast Club“ – kultig wie alles von John Hughes – müssen sie am Samstag in der Schule nachsitzen: Die Tussi, der Sportheld, der Nerd, der Bully und die Schreckschraube. Und begleitet von der Musik von den Simple Minds wird es nachher nie mehr so sein wie es war.

The Breakfast Club (c) Universal Pictures

In „Clueless“ (Amy Hackerling sehr frei nach Jane Austen) versucht Beverly Hills-Girlie Cher ihr soziales Umfeld nach ihren Vorlieben zu gestalten, doch durch die Liebe verabschiedet sie sich schlussendlich von Ich-Bezogenheit und Oberflächlichkeit.

Und „American Graffiti“ ist ein Frühwerk von George Lucas („Star Wars“) aus den „wilden Siebzigern“ und erzählt von einer Kleinstadt, jungen Leuten, ihren Autos und einer Nacht.

Sei du selbst

Nichts ist schwieriger als das. Das zeigt uns auch – erfrischend ungeschönt – Kayla in „Eight Grade“, die sich auf Social Media selbstbewusst und „ganz sie selbst“ präsentiert, in der Schule aber gerade den Titel als stillste Schülerin abstaubt.

Eighth Grade (c) Sony Pictures

Im norwegischen Festivalhit „Dancing Queen“ ist Mina so gar nicht sie selbst, indem sie krampfhaft versucht eine perfekte HipHop-Tänzerin zu werden, nur um dem coolen E.D.WIN zu gefallen. Nora aus Berlin-Kreuzberg schafft es in einem unvergesslichen Sommer trotz Gruppendruck mit den Freund*innen ihrer älteren Schwester und der abwesenden Mutter tatsächlich wie ein „Kokon“ zu einem Schmetterling und ganz sie selbst zu werden.

Freundschaften im Coming-of-Age-Film

Freundschaft meets Liebe erlebt Charlie im wunderbaren österreichischen Film „Beautiful Girl“. Sie ist gerade nach Wien gezogen und erlebt dort die aufregendsten Seiten des Jung-Seins, gemeinsam mit ihren besten Freunden Sulzer und Carlo, die ihr irgendwie beide wichtig sind, aber einer von beiden vielleicht mehr?

The Duff (c) Polyfilm

Horrorfan Bianca erfährt zufällig, dass man sie in der Schule als „The Duff“ (Designated Ugly Fat Friend) bezeichnet, wenn sie mit ihren Model-Freundinnen zusammen ist. Das führt zur Freundschaftskrise, inklusive „Unfriending“ auf sämtlichen Social Media Kanälen und schließlich zur Selbstkrise. Ob Schönling Wes helfen kann?

Im Klassiker „Stand by me“ nach Stephen King verbringen vier Freunde Ende der 50er Jahre – während sie eine Leiche suchen! – den Sommer ihres Lebens.

Stand by me (c) Sony Pictures

In „You are so not invited to my Bat Mizwah“ haben die Töchter von Adam Sandler ihren großen Auftritt. Hauptfigur Sally stürzt ihr Leben wegen der perfekten Bat Mizwah(-Party) und dem ultimativen Betrug von BFF Lydia, die etwas mit Sallys Schwarm Andy anfängt, in ein Chaos. Ob doch noch in Harmonie gefeiert werden kann?

Zwischen Lachen und Weinen

Coming-of-Age-Filme lassen uns nicht kalt. Oft muss man sich als Zuschauer*in ordentlich fremdschämen mit den Hoppalas der ganz und gar eigenwilligen Held*innen. In der schwarzhumorigen britischen Komödie „Submarine“ stellt sich der 15-Jährige Oliver gern sein eigenes Begräbnis vor, verliebt sich in Jordana, die viel cooler ist als er und verdächtigt seine Eltern des Betrugs.

I LIKE MOVIES (c) Camino Filmverleih

„I like Movies“ feiert die Filmliebe, aber Hauptfigur und Filmnerd Lawrence vergisst, vor lauter Filmliebe auch seinem Umfeld – Bester Freund Matt, seiner Mutter und seinen Kolleg*innen in der Videothek – ein bisschen Liebe zu schenken.

Coming-of-Age=Coming-out

Der Highschool-Film „Love, Simon“ ist der erste sozusagen Mainstream-Hollywood-Teenie-Film, der eine LGBTQ+-Hauptfigur hat. Darin wird der beliebte Simon Online als homosexuell geoutet, eine Demütigung, die schließlich zum Befreiungsschlag führt.

Love, Simon (c) Centfox

In „Call me by your name“ entdeckt Elio im Sommer 1983 überraschend Gefühle für den Studenten Oliver, der eigentlich verlobt ist. Die große Liebe, ganz viel Herzschmerz und Italien. Ein wunderschöner Film.

„Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums“ erzählt, nach dem gleichnamigen Jugendroman, von der Freundschaft/Liebe zwischen Aristoteles genannt Ari und Dante und einem unvergesslichen Sommer.

Ablösung von den Eltern

Eltern spielen in klassischen Coming-of-Age-Filmen eine wichtige und gleichzeitig Statisten-Rolle. Wie kommen Sie vor? Entweder in kurzen Szenen am Esstisch in denen sie Regeln für Parties und Alkoholkonsum festlegen oder diskutieren welche Uni am besten ist. Oder die jugendliche Hauptfigur leidet unter der Abwesenheit von Mutter oder Vater, weil die*r die Familie verlassen hat oder verstorben ist. Wenn man ganz genau schaut, dann erfüllen Walt Disney-Animationsfilme (Wie bitte?) den Aspekt der Abnabelung und Emanzipation vom Elternhaus verbunden mit großen Konflikten am allerbesten.

Meerjungfrau „Arielle“ will lieber Mensch sein und gerät damit mit Vater Triton in Konflikt, Simba fühlt sich für den Tod des Vaters verantwortlich, verlässt sein Elternhaus und muss schließlich gegen seinen Onkel um die Herrschaft als „König der Löwen“ kämpfen.

Der König der Löwen (c) Walt Disney

In „Mulan“ stellt sich die Heldin gegen ihre traditionelle Rolle und zieht anstelle des Vaters in den Krieg. In „Strange World“ müssen sich gleich zwei Generationen voneinander emanzipieren. u.v.m.  

Das Konzept „Coming-of-Age“ steckt also in vielen gelungenen Geschichten, weil es darin fast schon zugeht wie in einer griechischen Tragödie und die Tiefpunkte und Höhepunkte des Lebens zeigt.

Lust auf weitere Filmtipps?

Ein Gastbeitrag von Clara, Filmvermittlerinnen im WIENXTRA-Cinemagic. Clara liebt das Kino, Filme und überhaupt jede Art von Geschichte(n). Als zweifache Mama spielen Filme und Bücher für Kinder und Jugendliche nicht nur beruflich, sondern auch privat eine große Rolle. Geheime Leidenschaft: Biografische Einträge auf Wikipedia lesen.

Fotocredits: Titelbild Kokon © Salzgeber, You are so not invited to my Bat Mizwah © Netflix, Vielleicht lieber morgen © Leonine, Wann wird es endlich wieder so wie es nie war? © Sony Pictures, The Breakfast Club © Universal Pictures, Eighth Grade © Sony Pictures, The Duff © Polyfilm, Stand by me © Sony Pictures, I like Movies © Camino Filmverleih, Love, Simon © Centfox, Der König der Löwen © Walt Disney

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