Malt oder zeichnet ihr gerne? Oder ist es für euch gar nicht so einfach und denkt, dass das etwas ist, das ihr eben nicht könnt und daher auch euren Kindern nicht so easy weitergeben könnt? Wir haben bei Sigrid Haubenberger-Lamprecht vom Malort Wien nachgefragt, wie man Kinder zum Malen hinführen kann. Sie bietet nämlich das Malspiel und den Malort® für Kinder ab 3 Jahren an.
Einfach malen – das kann jede*r
Malen, oder anders ausgedrückt „seiner eigenen Spur folgen“ kann jeder, egal wie alt man ist. Schon die jüngsten Kinder zeigen sehr deutlich, welche Freude es ihnen bereitet, wenn sie sich malerisch ohne Beeinflussung von Außen ausdrücken dürfen. Ein Stift oder Pinsel wird in die Hand genommen und das weiße Blatt ohne großes Nachdenken mit farbigen Spuren gefüllt. Es gibt kein richtig oder falsch, es zählt einzig und allein der Augenblick.

Genau das ist im Malort uneingeschränkt möglich: Hier kommen Menschen jeden Alters zusammen, um ein Mal die Woche für eineinhalb Stunden zu malen. Ohne Vorgaben, ohne Bewertung, ohne Druck von Außen malt jeder auf seinem eigenen Blatt stehend an der Wand. Pinsel und Farbe holt man sich am Palettentisch, der mitten im Raum steht und von allen Seiten zugänglich ist. Wenn ein Blatt fertig ist, nimmt man sich das nächste und weiter geht es.
Malen bedeutet hier Spielen. Im Gegensatz zur Malkunst geht es nicht um das fertig gemalte Bild sondern um den Prozess. „Ein weißes Blatt in ein buntes zu verwandeln bedeutet Lust und ist Rechtfertigung genug“ sagt Arno Stern, der Begründer des Malorts. Dieser Blick auf das Malen ist (noch) ungewöhnlich. Daher verbleiben die gemalten Blätter nach Ende des Kurses im Malort, um vor einer Bewertung im Außen geschützt zu sein.

In jahrzehntelanger Forschung hat Arno Stern aufgezeigt, dass das Malen bei jedem Menschen, sofern nicht eingegriffen wird, einem gewissen Muster folgt. Es beginnt, einhergehend mit der motorischen Entwicklung mit kreisförmigen („Giruli“) und stoßenden („Punktili“) Bewegungen. Aus denen entwickeln sich langsam die sogenannten „Erstfiguren“, gefolgt von den „Bilddingen“, die schließlich von den „Hauptfiguren“ abgelöst werden.
Die dienende Person im Malort achtet darauf, dass die dafür notwendige wertfreie Begleitung gewährleistet ist. Nur so können sich die Malenden ganz ihrem Malspiel, ihrem ureigenen Ausdruck hingeben und erfahren damit, dass es ganz selbstverständlich ist, dass jede*r malen kann.
Malen als Erlebnis
Hier ein kleiner Leitfaden, um das Malen auch zu Hause (oder in der Schule) zu diesem besonderen Erlebnis zu machen:
- Gleich vorweg: Eine extra Malwand ist nicht nötig, um ins Malspiel einzutauchen. Ihr könnt einfach wie gewohnt am Tisch sitzen und darauf achten, dass die Sitzhöhe für jedes Kind passt, und los geht’s.
- alle Malutensilien wie weißes Papier, Stifte oder Pinsel und Wasserfarben sowie vorbereitete Unterlage stehen bereit
- eine „dienende“ Person achtet darauf, dass sich alle Malenden ganz in ihr Malspiel vertiefen können – dazu gehört sowohl eine entspannte Umgebung sowie der achtsame Umgang mit den Materialien
- z. B. Unterstützung beim richtigen Umgang mit Pinsel und Farben
- stumpf gewordene Stifte werden gespitzt
- den kleineren Kindern bereitet man den Pinsel mit ihrer gewünschten Wasserfarbe vor, da für sie das Anrühren der Farbe im Malkasten noch zu schwierig ist
- sobald ein Blatt fertig ist, wird das Nächste nachgereicht

- einzige Regel beim Malspiel: Über eine Farbe wird erst darüber gemalt, wenn die untere trocken ist. Denn Malen ist eine hochkonzentrierte und gleichzeitig lustvolle Tätigkeit und darf – gerade bei den Jüngsten – nicht mit Schmieren verwechselt werden!
- ganz wichtig: es gibt keine Themenvorgabe und jeder malt auf seinem eigenen Blatt
- damit eine wertfreie Atmosphäre entsteht, wird nicht über das Gemalte gesprochen. Die Freude am Tun zählt, nicht das fertige Produkt.
- Sind alle Malenden fertig, werden die Blätter auf der Rückseite beschriftet (Name, Reihenfolge, Datum) und achtsam in einer Mappe aufbewahrt.
Die Rahmenbedingungen des Malspiels anpassen
Dieses Malspiel kann für jüngere Kinder ein bisschen angepasst werden:
- Je nach Alter und motorischer Entwicklung des Kindes ergeben sich verschiedene Angebote:
- Kinder von ca. 18 bis 36 Monaten malen auf einem A4 Blatt mit Kugelschreiber oder Bleistift, den die dienende Person falls notwendig nachspitzt (viele verschiedene Farben sind in diesem Alter noch nicht notwendig, weil es hier noch um die endlose Wiederholung der ersten Spuren geht)
- Kinder ab ca. 3 bis 4 Jahren können dann schon mit Buntstiften oder Wasserfarben (Bedienung je nach Alter s.o.) auf einem A4 oder A3 Blatt malen

Sobald die „Spielregeln“ eingeführt sind, könnt ihr die Rollen gerne auch mal tauschen. Denn Kinder freuen sich über die ihnen zugetraute Verantwortung und Eltern lassen sich auch gerne mal bedienen! Und vielleicht wird das Malspiel ja auch ein fester Bestandteil im Familien-Alltag: ein Ruhepol, ein Eintauchen in eine andere Welt – gemeinsam und gleichzeitig jeder für sich….
Malort Wien
Haubenberger-Lamprecht Sigrid
16., Grundsteingasse 15
malort-wien.at
arnostern.com

Lust auf mehr?
- Hier stellen wir euch weitere Zeichen- und Malspiele für Kinder vor:
blog.kinderinfowien.at/zeichenspiele
blog.kinderinfowien.at/spielen-mit-farbe-malspiele - Mal- und Basteltipps zum Nachmachen für unterschiedliche Altersstufen findet ihr hier: blog.kinderinfowien.at/muttertags-basteln-und-flow-erleben
- Noch mehr Angebote für das betreute Malen mit Kindern findet ihr auf der Infoliste der Kinderinfo: kinderinfowien/infos-a-z/malen-zeichnen-basteln
Gastbeitrag von Sigrid Haubenberger-Lamprecht: Ausbildung zur „malortdienenden Person“ bei Arno Stern im Jahr 2010; seit mittlerweile 15 Jahren hat sie in ihrem Malort-Wien bereits mehr als 500 Menschen bei ihrem Malspiel begleitet; im Rahmen von Workshops gibt sie dieses wertvolle Wissen auch an PädagogInnen weiter
Literaturtipp: Arno Stern: „Wie man Kinderbilder nicht betrachten soll“; 2012 ZS Verlag Zabert Sandmann GmbH
Fotos (c) Sigrid Haubenberger-Lamprecht, Malort Wien