Geschwister zwischen Hass und Liebe

Geschwister zwischen Hass und Liebe
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Gemeinsam spielen, einen Plan aushecken, Spaß haben. Wie schön ist es zu beobachten, wenn sich die Geschwisterkinder gut verstehen und ein Team bilden. In diesen Situationen ist  die Freude bei mir immer sehr groß. Wenn aber der Haussegen schief hängt, die Streiterein einfach kein Ende nehmen wollen und um jedes noch so kleine Ding gekämpft wird, hätte ich manchmal wirklich gern einen Pausenknopf. Diese Momente gehören auch zum Familienalltag und können uns Eltern ganz schön fordern und unser Nervenkostüm strapazieren.

Nachdem ich selbst Mutter von zwei Mädchen (2 1/2 und fast 5 J.) bin kenne ich solche Situationen nur allzu gut. Ich stelle mir immer wieder die Frage, wie ich meine Töchter fair behandeln und auf ihre individuellen Bedürfnisse eingehen kann, ohne sie gleichzumachen oder Grund zur Eifersucht zu geben. Wie kann ich Streitigkeiten gut und fair schlichten und gleichzeitig auch meine Kräfte und Nerven schonen? Wann soll ich einschreiten und wann die Kinder selbst aushandeln lassen?

Diese Woche habe ich den Vortrag von Mag.a Dagmar Bergermayer, klinische Psychologin und Therapeutin,  zum Thema Geschwisterbeziehung in der wienXtra-kinderinfo besucht.

Die gute Nachricht!

Kinder in Geschwisterbeziehungen erweitern durchs Streiten ihre soziale Kompetenz. Sie haben zahlreiche Möglichkeiten Konfliktlösungsstrategien auszuprobieren und zu erlernen. Denn auch wenn es wirklich richtig kracht, bleiben Geschwister Geschwister. Sie trainieren ihre Argumentationstechniken, den Umgang mit Rivalität und auch, wie man sich wieder versöhnt. Dieses sichere Übungsfeld in jungen Jahren bietet Kindern die Chance für den Umgang und Erhalt von Freundschaften im späteren Leben zu trainieren.

Geschwisterbeziehung stärken!

Die emotionale Qualität der Beziehung hängt vom Altersunterschied, Geschlecht, Temperament der Kinder und nicht zuletzt dem Verhalten der Eltern ab.  Hier ein paar Anregungen und Empfehlungen aus dem Vortrag, wie Eltern die Geschwisterbeziehung positiv beeinflussen können.

  • Den Kindern Raum lassen und sich nicht ständig einmischen.
  • Die Individualität der Kinder stärken. Vergleiche zwischen den Geschwistern fördern die Konkurrenz und erhöhen den Leistungsdruck.
  • Auf Gleichmacherei verzichten und die individuellen Stärken betonen.
  • Akzeptieren, dass Streiten dazu gehört und auch wichtig für die Kinder ist.
  • Zeit für Zweisamkeit. Immer wieder Zeit mit jedem der Geschwisterkinder einzeln verbringen.
  • Alleinsein ist erlaubt! Bei getrennten Zimmer ist das einfacher, sonst einfach schauen, dass es Bereiche gibt, in denen die Kinder auch allein sein können.
  • Die “Gehört-mir-Box” einführen – manchmal muss man nicht teilen. Für ältere Geschwister ist es anstrengend, wenn die jüngeren immer genau das haben wollen, was sie gerade in den Händen haben. Einen Ausweg bietet diese Box. Wie der Name schon verrät, müssen die Sachen aus dieser Box nicht geteilt werden.

Konkrete Tipps für Streitsituationen

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  • Wann einschreiten?

Es ist wichtig, dass Kinder die Möglichkeit haben und den Raum bekommen, ihre Streitigkeiten selbst auszutragen und beizulegen.

Wenn aber die Gefahr besteht, dass die Kinder sich oder andere beim Streit verletzten, müssen Eltern auf alle Fälle einschreiten. Je jünger Kinder, desto ungeübter sind sie noch und benötigen noch mehr Anleitung.
Wenn bei den Streitereien immer dasselbe Kind als Verlierer_in hervorgeht, brauchen die Kinder ebenfalls Unterstützung.

  • Wie einschreiten?

Die wichtigste Regel für Eltern ist, neutral zu bleiben, auf keinen Fall Partei zu ergreifen oder Schiedsrichter zu spielen. Kleinkindern muss man Lösungsmöglichkeiten vorschlagen und zeigen. Das kann zum Beispiel sein, ein Kind darf den Knopf beim Lift beim Rauffahren und das andere beim Runterfahren drücken.

Der Streit ums letzte Stück: Eine_r darf teilen, der/die andere_r sucht aus.

Es ist auch egal, wer angefangen hat. Auf diesen Punkt einfach nicht eingehen und das auch verbalisieren.
“Es ist egal wer angefangen hat. Ich weiß nur, dass das so nicht geht.”

Wenn eines der Kinder beißt oder zuhaut, ist es ratsam ebenfalls eine neutrale Position einzunehmen.
“Ich möchte nicht, dass einer meiner Kinder geschlagen oder gebissen wird.” oder “So nicht! Es darf niemand verletzt werden! Wenn wir uns beruhigt haben, klären wir, wie man sich streiten kann, ohne sich dabei zu verletzten.”

  • Versöhnungsrituale einführen

Es muss nicht nur das klassische “Entschuldigung” sein. Beobachtet eure Kinder, welche andere Versöhnungsmöglichkeiten sie nutzen. Mit etwas älteren Kindern, kann man sich auch gemeinsam ein Ritual überlegen, das für die Kinder passt.

  • Wenn Geschwister nur noch streiten!

Wenn Geschwister nur noch streiten, hilft manchmal eine paradoxe Intervention. Führt zum Beispiel eine Streitzeit ein. Jeden Tag 1/2 Stunde. Jede Auseinandersetzung kann in diese Zeit verschoben werden.

Dagmar Bergermayer  hat in ihrem Vortrag auch darauf hingewiesen, dass es ratsam ist, sich zu überlegen, warum die Kinder gerade streiten: Langeweile, Eifersucht oder Aufmerksamkeit.

Don’t forget!

  • Man kann sich seine Geschwister nicht aussuchen.

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  • Geschwisterbeziehungen können nicht beendet werden. Auch wenn ich mich im Erwachsenenalter dazu entschließe den Kontakt mit meinen Geschwistern abzubrechen, wirken sie.
  • Ganz typisch für die meisten Geschwisterbeziehungen ist das gleichzeitige Vorhandensein von positiven Gefühlen wie Liebe und Zuneigung und negativen Gefühlen wie Ablehnung und Eifersucht.
  • Die Geschwisterbeziehung ist die am längsten andauernde Beziehung. Geschwister verbringen in jungen Jahren mehr Zeit miteinander als mit ihren Eltern oder gleichaltrigen Freund_innen. Aus diesem Grund ist diese Beziehung auch so intim und intensiv.
  • Je geringer der Altersunterschied zwischen den Geschwistern, desto intensiver und intimer ist die Beziehung. Das hat allerdings auch mehr Konflikte zur Folge.
  • Geschwisterbeziehungen durchlaufen unterschiedliche Stadien. Zum Beispiel kann es für ältere Geschwister notwendig sein, sich im Rahmen des Ablöseprozesses während der Pubertät auch von den jüngeren Geschwistern zu distanzieren. Oftmals kommt es in den 20er und 30ern oder spätestens im Alter wieder zu Annäherungen. In diesen Lebensabschnitten können ähnliche Erlebnisse, wie selbst Mutter oder Vater werden, verbindend wirken. In diesem Lebensabschnitt können auch alte Wunden reflektiert, verziehen und die andere Perspektive rückwirkend verstanden werden.

 

Noch mehr zu diesem Thema wie “Ein Zimmer für mich allein” oder “Warum ich raufen gut finde” findet ihr im blog.

Die nächsten Themen und Termine für die gratis Elternvorträge in der kinderinfo findet ihr hier.

reg

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