Kinderfotos online – oder doch lieber nicht?

Manche sind verunsichert: Wie, soll man jetzt gar keine Fotos mehr teilen? Wir haben bei Anu Pöyskö, Leiterin des WIENXTRA-Medienzentrums nachgefragt.
Mit den Smartphones ist es sehr einfach geworden, den Familienalltag digital zu dokumentieren, und als Folge fotografieren und filmen wir so viel wie noch nie. Wie viele Fotos von deinem Kind hast du auf deinem Handy? Welche magst du besonders? Mit wen möchtest du diesen Foto-Schatz teilen? 

Erster Schritt: Frag dein Kind!

„Warst du schon mal wütend oder traurig wegen einem Foto, den jemand anderer von dir gepostet hat?“ fragen wir Medienpädagog_innen oft, und so gut wie alle Jugendlichen, und leider auch viele Kinder, antworten mit ja. Bei Jugendlichen sind die „Übeltäter_innen“ andere Jugendliche, bei den Kindern meist die eigenen Eltern. 

(cc) jty11117777, Pixabay

Wenn Kinder es beklagen, dass Eltern ständig Fotos von ihnen posten, ist der gute Rat einfach: „Hast du es mal angesprochen? Tue es!“ So wie ich Eltern kenne, nehmen sie die Gefühle und Wünsche ihrer Kinder ernst und hören zu.

Wer es zu Gewohnheit macht, das Veröffentlichen und Teilen von Fotos immer zuerst mit dem Kind zu besprechen, lebt zugleich vor: so geht das gute, respektvolle Miteinander mit digitalen Bildern.

Ein eindeutiges No-Go sind Fotos, die das Kind irgendwie bloßstellen. Erwachsene mögen Fotos von schreienden oder schmutzigen Kindern niedlich finden, Kinder selbst eher nicht. Eine gute Überprüfungsfrage ist, es auf sich selbst zu beziehen: würde es mir gefallen, wenn ein Foto von mir herumgeht, wo mein Gesicht voll mit Schokoeis beschmiert ist?  

Meine Verantwortung als Erwachsene

Die Zustimmung des Kindes einzuholen ist wichtig, aber auch nur der erste Schritt. Ein Baby ist einfach noch zu klein, um eigene Wünsche zu formulieren. Das etwas größere Kind lebt in Hier & Jetzt – es ist nicht seine Aufgabe zu überlegen, welche mögliche Konsequenzen das Veröffentlichen der Bilder später haben kann.

(cc) Mabel Amber, who will one day, Pixabay

Kinder entwickeln sich schnell; dass was sie heute mögen, kann ihnen schon in ein paar Jahren extrem peinlich sein, besonders vor den Gleichaltrigen. Auch wenn die meisten Kinder gerne alte Foto von sich selbst anschauen, sollten sie kontrollieren können, in welchen Rahmen und mit wen dies geschieht.

In dieser Hinsicht kann es zum Problem werden, wenn das gesamte Großwerden auf den social media Kaläen der Eltern leicht zugänglich dokumentiert ist. Kinder und Jugendliche können einander gegenüber grausam sein. Das an sich unbedenklich Foto von vor 3 Jahren, aber mit kindlichen Zügen und in kindlicher Kleidung, lässt sich leider leicht für das Bloßstellen verwenden.

(cc) Stefan Schweihofer , Pixabay

Und dann gibt es da noch die Erwachsenen mit kriminellen Absichten. Pädophile sind eine kleine, aber online aktive Minderheit – dass Fotos von Kindern im Badeanzug oder sonst spärlich bekleidet im Netz nichts verloren haben, müsste in der Zwischenzeit allen klar sein.  

Angst vor technischem Missbrauch

Unsere Verantwortung als Privatpersonen hat aber auch Grenzen. Extrem unfair finde ich es, wenn Eltern die volle Verantwortung für jeden heute und zukünftig möglichen technischen Missbrauch von Kinderfotos übertragen wird (so wie auf diesem Video).

(cc) -Jose Antonio Alba auf Pixabay

Ja, jedes veröffentlichte Foto kann für kriminelle Zwecke missbraucht werden. Ja, KI eröffnen weitere, durchaus gruselige Möglichkeiten für Identitätsraub und deep fakes. Aber um das eigene Kind davor gänzlich abzusichern, dürften überhaupt gar keine digitalen Fotos von ihm im Umlauf sein.

Mit einem Papiersackerl über den Kopf durch das Leben zu laufen, ist aber auch nicht die Lösung! Es ist eine (medien)politische Aufgabe, Regelungen zu schaffen, die die Einzelne – Kinder und Erwachsene – ausreichend schützen! Bestimmungen auf EU-Ebene, die entweder schon beschlossen (Gesetz über digitale Dienste) oder noch in Diskussion sind (KI-Act), beinhalten viele Schritte in die richtige Richtung, weil sie die Plattformen und Dienstanbieter stärker in die Pflicht nehmen.

Das Recht auf das eigene Bild

Das Recht auf das eigene Bild wird oft so missverstanden, dass es generell illegal wäre, Fotos ohne das Einverständnis des oder der Abgebildeten zu veröffentlichen. Das stimmt nicht ganz: Das Gesetz schützt uns „lediglich“ davor, dass die Veröffentlichung unsere berechtigten Interessen verletzt, uns etwa entwürdigt oder bloßstellt. Dazu zählt auch die ungefragte Nutzung von unseren Bildern zu Werbezwecken.

(cc) Michał, Pixabay

Hier beim Internet Ombudsman findet ihr einen guten Überblick zu allen Fragen zu rechtlichen Bestimmungen rund um Fotos und Internet. Zusammengestellt wurde der Inhalt vom Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation ÖIAT im Auftrag der Arbeiterkammer Österreich.

Für das gute Miteinander, können und sollten wir das Recht auf das eigene Bild aber breiter fassen: Jedes Veröffentlichen und Weiterleiten von Bildern nur mit dem Einverständnis aller Abgebildeten. Immer und ohne Ausnahme!

Fotos sind wichtig!

Ich begegne immer häufiger Jugendlichen, die so viel Angst vor einem möglichen Missbrauch ihrer Fotos haben, dass sie am liebsten gar nicht fotografiert werden möchten. Das ist besorgniserregend, denn Fotos sind an sich sehr wichtig für die Heranwachsenden: Sie dokumentieren das Großwerden, wichtige Lebensereignisse und Beziehungen.

Fotos sind Werkzeuge der Identitätsarbeit: Auf Fotos halten wir fest, wer wie sind. Wie gerne Kinder Fotos von sich, Familie und Freunde anschauen, weiß jeder. Wie bedeutsam Fotos von Freund_innen und besonderen Momenten mit ihnen für Jugendliche sind, ebenso.

(c) Brigitte Vogt

Keinesfalls sollten wir damit aufhören, Fotos zu machen. Es braucht nur mehr soziale Spielregeln im Umgang mit Fotos, damit die Freude an Fotos wieder eine ungetrübte sein kann. Je mehr diese Regeln schon zuhause ein Thema sind, umso besser: das Kind weiß sie dann auch in anderen Kontexten einzufordern, und verantwortlich mit den Fotos umzugehen, die es selbst mit dem ersten Smartphone oder Digitalkamera von anderen macht.   

So wollen wir es machen

Es gibt beim Umgang mit Kinderfotos im Netz kein eindeutiges Falsch und Richtig – es liegt an jeder Familie zu überlegen, wie sie es machen möchten. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich über diese wichtige Frage gemeinsam Gedanken zu machen.

(cc) Mojca-Peter, Pixabay

Einige entscheiden sich dafür, Fotos von Kindern ausschließlich in kleinen, privaten Gruppen zu teilen. Andere posten nur Fotos, wo das Kind nicht mit Gesicht zu sehen sind #familievonhinten.  Wieder andere zeigen auch das Gesicht, posten aber insgesamt mit Zurückhaltung: wenige, gemeinsam mit dem Kind ausgewählte Fotos. Ein Argument für diesen Zugang wäre, dass es zum Leben heute dazu gehört, eine digitale Identität zu haben. Und dass man es früh und gemeinsam mit den Eltern üben kann, diese zu gestalten und zu pflegen.

Fotos analog feiern

Generell schlage ich vor, das Anschauen und Feiern der tollen Kinder- und Familienfotos wieder etwas mehr ins Analoge zurückzuholen. Papierfotos machen Freude und man kann sie nicht so leicht kopieren und weiterleiten. Außerdem muss man auswählen, und das Ergebnis ist dann ein Best of.

  • Gestaltet Daheim gemeinsam eine Fotowand, die ihr immer wieder aktualisiert und umgestaltet.
  • Oder versucht euch an einem Scrapbuch, dass das Kind selbst mit wichtigen Fotos und Erinnerungsstücken beklebt.
  • Auch selbst gestaltete Fotokalender als Familienkalender sind eine gute Möglichkeit, schöne Momente festzuhalten und mit Menschen die auf Besuch kommen zu teilen. Ideal auch für Großeltern und andere Menschen, die an dem Leben des Kindes teilhaben wollen.  

Gastbeitrag von Anu Pöyskö, Leiterin des WIENXTRA-Medienzentrums
Titelbild (c) Brigitte Vogt; Fotos (cc) Pixabay (c) Brigitte Vogt

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