Die meisten Erwachsenen haben ganz vergessen, wie viele Lernschritte beim Lesenlernen notwendig sind. Welche Meister_innenleistung auch sie selbst als Volkschüler_innen vollbracht haben, als sie lesen gelernt haben. Es reicht nicht aus die einzelnen Buchstaben des Alphabets zu kennen, da gehört ganz schön viel mehr dazu.
Manchen Kindern fällt das leichter und manche brauchen für diesen Entwicklungsschritt länger und vielleicht etwas mehr Unterstützung.
Eine wichtige Zutat diesen großen Schritt zu gehen, ist in meinen Augen Motivation.
Motivation fördern
Ganz ehrlich irgendwie tendieren wir doch alle dazu, dass wir meistens die Dinge, die uns leicht von der Hand gehen, öfters und lieber machen als die schweren und mühsamen. Wenn wir allerdings über eine hohe Motivation verfügen und etwas unbedingt erreichen möchten, dann üben wir und probieren es so lange, bis es endlich funktioniert. Bei Kindern können wir das so oft beobachten.
Umgelegt aufs Lesenlernen fällt es leichter, wenn wir das Lesen als Schritt in Richtung Freiheit und Selbstbestimmung sehen. Und unseren Kindern vermitteln, was damit alles möglich ist und wie wunderbar selbst Lesen können ist.
Vorlesen und Lesen
Geschichten vorlesen ist für die meisten Bezugspersonen ein fixer Teil des Familienalltags. Mit Leseanfänger_innen bietet sich u.a. folgende Vereinbarung an: pro vorgelesene Seite sollen die Kinder eine Zeile oder einen Satz selbst laut vorlesen. Wichtig dabei ist, dass wir die Kindern damit nicht überfordern.
Diesen Tipp habe ich von einer Freund_in bekommen, bei der diese Vereinbarung wunderbar geklappt hat. Bei uns zuhause ist dieser Vorschlag nicht gut angekommen, weshalb meine ältere Tochter diese Idee etwas abgewandelt hat.
Jede Zeile eine Seite
Meiner Tochter war es lieber, dass wenn ich vorlese, sie einfach entspannt zuhören kann. Deshalb hat sie vorgeschlagen, dass sie mir zu anderen Zeitpunkten etwas vorliest. Außerdem wollte sie auch entscheiden, was sie vorliest z. B. ein paar Zeilen aus einem Pixibuch oder die Leseübungsblätter aus der Schule. Jeder gelesene Satz von ihr, war eine zusätzlich Seite, die ich ihr dann am Abend vorgelesen habe.
Selbständigkeit & Erfolgserlebnisse
Ein andere Möglichkeit ist auch zum Beispiel beim nächsten Einkauf die Einkaufsliste dem_der Leselernenden zu übergeben. Er oder sie liest dann die Sachen vor und die Erwachsene düst im Geschäft herum und holt die Sachen.
Pixi- bzw. Mini-Bücher und Comics sind hervorragend geeignet, damit unsere Kinder das Erfolgserlebnis, ein ganzes Buch gelesen zu haben, schon relativ früh erleben können. Zumindest war es bei meiner älteren Tochter so schön zu sehen, wie stolz sie war, als sie ihr ersten Pixi-Buch selbstständig ausgelesen hatte.
Viellesen versus Lautlesen
Spaß und Kreativität
Mit Spaß etwas lernen fällt leichter und bleibt besser hängen. Deshalb ist es egal, was gelesen wird. Ein besonderes Interesse, ein Hobby eures Kindes kann da bei der Auswahl helfen. Kinder, die gerne kochen, sind vielleicht eher dazu bereit, Rezepte zu lesen. Pokémon-Fans möchten die Details auf den Karten wissen. Sticker-Sammelalben mit ein bisschen Text bieten sich genauso wie Brettspiele, bei denen Lesen für den Spielverlauf wichtig ist, an. Und natürlich die Klassiker wie zum Beispiel Comics und Kindermagazine mit Bildern und wenig Text.
Kinder lieben Witze. Wie wäre es mit einem Witzebuch zum Lesen üben.
Druck raus – Erfahrungswissen rein
Druck führt zu Gegendruck und erzeugt schlechte Stimmung beim Lesenlernen. Als Elternteil ist es aber auch schwer, den Druck rauszunehmen. Mir hilft in solchen Situationen oft, mir, meine Erfahrungen in Erinnerung zu rufen und mich mit Freund_innen und Bekannten auszutauschen.
Vergesst beim Üben auch nicht darauf, eure Kinder positiv zu bestärken mit Sätzen wie : “Du schaffst das!”, “Ich bin so stolz auf dich – du bleibst dran und gibst nicht auf”. Auch die kleine Erfolge würdigen “Das ging heute schon viel flüssiger” oder “Das [z. B. ist] kannst du jetzt schon richtig flüssig lesen” …
Die gute Nachricht: Egal, ob es den nun Erwachsenen schwer oder leicht gefallen ist, ob sie es als mühsam oder eh ganz easy in Erinnerung haben, alle haben es geschafft. Dieses Wissen sollten wir nicht vergessen und unseren Kindern, die Zeit geben, die sie brauchen. Und Unterstützung anbieten und auch selbst in Anspruch nehmen, wo wir oder unsere Kinder nicht mehr weiter kommen.
Wenn wir uns als Bezugsperson Sorgen über den Lernfortschritt machen, unsicher sind, ob das Verwechseln von Buchstaben oder das zögerliche Laute verbinden noch ok ist, dann ist es am besten, das Gespräch mit den Lehrer_innen zu suchen. Pädagog_innen haben in der Regel viel Erfahrung und können das gut einschätzen und im Fall auch Tipps geben.
reg
Titelfoto (c)(c) Patrice Audet
In unserer Bibliothek werden die “Erst ich, dann Du” Lesebücher sehr gerne ausgeborgt. Auf jeder Seite stehen ein oder zwei Sätze in großer Schrift, welche das Kind liest, der Rest ist kleiner Druck für den Erwachsenen. Diese Bücher gibt es nun auch schon mit Klassiker Geschichten oder beliebten Figuren wie dem Drachen Kokosnuss.