Kinder stärken gegen irritierendes Verhalten

Wir alle sind täglich mit kleinen oder größeren Irritationen konfrontiert, Erwachsene, Jugendliche aber auch Kinder. Das können Blicke oder Berührungen sein, vermeintliche Witze, verwirrende Doppelbotschaften und vieles mehr. Die Irritation ist oft nicht direkt greif- oder benennbar, aber häufig spürbar. Was kann ich als Eltern- und Bezugsperson tun, um Kinder gegen irritierendes Verhalten von Erwachsenen zu stärken? Hier kommen Tipps von Selbstlaut, der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen.

Besprechbar machen

Ein wichtiger Schritt, Kinder zu stärken gegen irritierendes Verhalten, ist das darüber reden. Diese Gefühle der Irritation, der Diffusität besprechbar zu machen, auch schon mit kleinen Kindern, allein der Versuch, unbequeme, irritierende Dinge zu thematisieren, ist Vorbeugung von Gewalt, von sexuellen Übergriffen, von Diskriminierung und Verwirrung. Es anzusprechen stärkt das Kind, ganz gleich, ob es aktiv zuhört oder nicht. Es weiß, dass man eine Ansprechperson ist beziehungsweise wäre, wenn etwas wichtig ist, weil man sich traut, ungewohnte, vielleicht peinliche oder belastende Dinge anzusprechen.

Kinderbücher zu Gefühlen

Solche Gespräche sind nicht alltäglich. Das braucht Übung und immer wieder Zeit, hier ein paar Minuten, dort eine Viertelstunde, hier ein paar Sekunden. Jedenfalls Übung. Versuchet es. Es wird immer leichter, vertrauter und alltäglicher.

Was wirklich los ist

Für Kinder ist es am Beunruhigendsten, wenn sie spüren, dass etwas schwierig ist, aber niemand ihnen sagt, was los ist. Häufig ist das im engsten Umfeld, also der Familie, der Lebensgemeinschaft oder im sozialen Nahbereich der Fall. Wenn Kinder aber in einfachen Worten erfahren, was wirklich los ist, wissen sie auch, dass nicht sie schuld sind, sondern dass es andere Gründe gibt, wieso die Welt auf dem Kopf zu stehen scheint. Kurze Informationen oder Stichworte reichen und bieten eine gute Orientierung um Kinder zu stärken.

Irritationen im öffentlichen Raum

Irritierende Situationen gibt es natürlich auch im öffentlichen Raum und durch Erwachsene. Dies können vielleicht Betrunkene sein, die für Kinder nicht gut “lesbar” sind. Oder jemand ist vermeintlich freundlich, lächelt vielleicht, aber sagt unpassende, übergriffige Sachen oder berührt das Kind auf irritierende und grenzverletzende Weise. Wenn dieser Jemand dazu ein freundliches Gesicht macht, etwas verspricht oder irritierende Äußerungen macht, kennen Kinder sich nicht aus. Sie wissen, sie sollten freundlich sein, sie wissen, sie dürfen nicht mit Unbekannten mitgehen, sie wissen aber nicht, was der Erwachsene eigentlich will.

Kinderbücher, die sich mit Angst beschäftigen

Vielleicht ist ein Kind in solch einer Situation neugierig, vielleicht verschreckt, vielleicht ängstlich, vielleicht sehr mutig oder fühlt sich eher gelähmt. All das und vieles mehr ist möglich. Weil es Erwachsene gibt, die im öffentlichen Raum Kinder verunsichern möchten, um sich mächtig zu fühlen. Oder die Kinder berühren wollen, weil ihnen das ein Gefühl von Zufriedenheit, Macht und vielleicht einen sexuellen Kick gibt. Auch, wenn es um Berührungen geht, die nicht im Intimbereich liegen.

Glauben schenken, loben und einfache Botschaften

Das Wichtigste für Kinder, wenn sie solch eine Situation erleben und so mutig sind, davon zu erzählen, ist, dass sie für diesen Mut gelobt werden. Wichtig ist, dass die Gefühle, die das Kind möglicherweise hatte, formuliert werden. Und dass dem Kind geglaubt wird. Auch dass es getröstet wird, weil es sich vielleicht gefürchtet hat oder einfach “nur” verwirrt war.

Kinderbücher zum Thema Resilienz

Einfache Botschaften helfen, das Erlebte einzuordnen und zu verarbeiten: Erwachsene dürfen Kinder nicht absichtlich verwirren, sie dürfen von Kindern keine Geheimhaltung verlangen, sie dürfen nicht mit den Körpern oder Körperteilen von Kindern “spielen”, sie dürfen Kindern nichts Geheimes zeigen, sie dürfen Kinder nicht erpressen und nirgendwo hin locken. Egal, was Erwachsene, die von einem Kind als “komisch” erlebt werden, tun, es ist nicht die Schuld der Kinder.

Sortierhilfe

Solche Informationen sind auch schon für sehr junge Kinder hilfreich und klar. Es ist nicht selbstverständlich, dass Kinder ihren Eltern, Erziehungsberechtigten und Bezugspersonen von irritierenden Situationen erzählen. Fragen wir nicht nach, wieso das Kind erst jetzt, vielleicht einige Tage später, von der Situation erzählt, sondern loben wir das Kind und bieten wir Informationen an.

Körperbücher wie “Was mir mein Bauch erzählt” (c) Tyrolia Verlag

Wenn wir einiges dazu gesagt haben, dann können wir auch Fragen stellen. Wenn wir gleich, nachdem ein Kind etwas Bedrückendes erzählt hat, nachfragen, vielleicht sogar nachbohren, bringen wir Kinder eher zum Schweigen. Helfen wir ihnen, die Situation einzusortieren und ihre vielleicht ambivalenten Gefühle zu benennen. Damit ist Kindern am meisten geholfen.

Ideen statt Warnungen

Warnungen, Beschuldigungen und Drohungen – “Wenn du noch einmal dorthin gehst…”, “Ich habe dir doch gesagt,…”, “Wieso hast du…”, “Da kann etwas ganz Schlimmes passieren…” – machen Kindern Angst und sind nicht hilfreich. Formuliert lieber eine gute Idee, wie eine ähnliche Situation vielleicht zukünftig verhindert werden könnte. Und sagt, dass auch Erwachsene manchmal verwirrt und irritiert sind vom Verhalten anderer Menschen und dass es mutig und hilfreich und tröstend ist, gemeinsam zu überlegen, was in solchen Situationen helfen könnte.

Weglaufen zum Beispiel, Nichtreagieren, sehr unfreundlich und patzig werden, weinen, jemand ansprechen, die_der in der Nähe ist, und vieles andere mehr kann da hilfreich sein. Und dass es wichtig ist, darüber zu sprechen, wenn die Situation vorbei ist. Und dass ihr stolz auf euer Kind seid, dass ihr so mit ihr_ihm über solche ungemütlichen Sachen nachdenken können.

Aufklärungsbücher wie “Mami hat ein Ei gelegt!” Babette Cole. Sauerländer Verlag

Ladet euch die von Selbstlaut 2023 erstellten Formulierhilfen herunter um eure Kinder zu stärken gegen irritierendes Verhalten oder Übergriffe. Schaut hinein, vielleicht findet ihr den einen oder anderen passenden Satz oder hilfreiche Anregungen. Da gibt es Formulierhilfen um mit Kindern zu reden über…
 … Irritationen durch das Verhalten Erwachsener
 … Kinderrechte & Hilfe bei Gewalt
 … Unruhe, Stress & Trauma
 … Sexuelle Bildung & den Umgang mit Pornografie
 … Sexuelle Übergriffe unter Kindern & Zustimmung
 … einen Pädagogen, der im Kindergarten nicht gut auf Kinder aufgepasst hat

Fachstelle Selbstlaut gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen
16., Thaliastraße 2/2A
Telefon: 01/8109031
Telefonberatungszeiten: Mo & Do 9-12 Uhr, Di 14-17 Uhr
selbstlaut.org

Kinderbücher zum Thema Aggression

Lust auf mehr?

Gastbeitrag von Lilly Axster, Mitarbeiterin bei Selbstlaut – der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen
Titelbild (c) wondermar auf Pixabay; Fotos (c) Brigitte Vogt, Verlage

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