Schüchterne Kinder

Schüchterne Kinder, kennt ihr das? Ein Eis wollen, aber sich nicht selbst bestellen trauen. Sehnsüchtig zu den Kindern am Spielplatz hinüber schauen, aber sich an die Mama kuscheln. Bauchweh bekommen wenn man ein Referat halten soll… Für viele Kinder ist es nicht so einfach, selbstbewusst auf andere zuzugehen und sich zu behaupten. “Er/Sie ist halt schüchtern”, sagen wir dann.

Immer wieder erzählen mir besorgte Eltern von ihren schüchternen Kindern. Meist steckt die Angst dahinter, dass das Kind durch die Zurückhaltung nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen kann. Häufig ist das Verhalten des Kindes auch für die Eltern belastend. Da ca. 5-10% aller Kinder irgendwann einmal in ihrer Kindheit oder Jugend an einer sozialen Phobie leiden, gehört sie zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Leider wird dies bei Kindern oft nicht erkannt und daher auch nicht behandelt. Schade, denn Kinder sind sehr lernfähig, können von sozialen Kompetenztrainings profitieren und damit viel ausgleichen. Abzuklären, ob ein Kind einfach nur ein wenig zurückhaltender, introvertierter, noch nicht so geübt im Sozialkontakt ist oder ob eine soziale Phobie vorliegt, macht Sinn. Folgende Hilfsangebote kann man auch relativ einfach selbst umsetzten.

Das hilft schüchternen Kindern:

  • Meist hilft es, sie nicht zu überfordern bei gleichzeitiger Unterstützung, Neues auszuprobieren.
    Das nicht überfordern ist manchmal gar nicht so einfach. Da geht es darum, sich auf das Kind und seine persönlichen Ängste einzulassen. Die Ängste nicht klein reden, sondern ernst nehmen bei gleichzeitigem Vertrauen, dass das Kind schon seinen Weg gehen wird. Angst ist ein wichtiges Gefühl, das erst einmal nur zur Vorsicht mahnt. Wie man damit umgeht, das ist lernbar.

    Orden und Medaillen zum ausdrucken www.kidsweb.de (c) Brigitte Vogt
  • Gemeinsam nach Übungsmöglichkeiten suchen ist wichtig, nach kleinen Schritten, die positiv bewältigt werden können.
    Nicht aufgeben, zum Üben ermuntern, fordern und zutrauen, sich nicht von der Angst anstecken lassen, das ist genauso wichtig.
    Was macht am meisten Angst? Was ein bisschen? Welche Unterstützung würde dir dabei helfen? Und was würdest du dir an einem guten, mutigen Tag zutrauen?
    Fangt mit den einfachsten Sachen an, damit ihr Erfolgserlebnisse habt und das Kind sich langsam weiterentwickeln kann. Bleibt dran. Lasst euch von Rückschlägen nicht entmutigen! Jeder hat mal einen schlechten Tag, davon muss man sich nicht einschüchtern lassen. Die nächste Möglichkeit, die Angst zu besiegen wartet schon an der nächsten Ecke.
  • Der Angst den Mut zu Seite stellen.
    Besondere Herausforderungen auch als solche wahrnehmen – und das können auch kleine sein z.B. ein Eis selbst bestellen oder den grantigen Nachbarn so laut grüßen, dass der das auch wahrnimmt.
    Manchmal hilft dabei ein Slogan, ein Satz, den das Kind sich denken oder vorsagen kann, wenn es sich einer Herausforderung stellt z. B.:

    • “Nur ruhig Blut, dann geht alles gut!” Anregung aus dem Buch “Die Kapitän-Nemo-Geschichten. Geschichten gegen Angst und Stress.” von Dr.in Ulrike Petermann, Herder Verlag
    • “Nur Mut, nur Mut, ich mach das schon ganz gut.” Anregung aus dem Lied Ein Lama in Yokohma von Joy Gruttmann
    • “Mutig schau ich dem Orkan in die Augen”
    • “Mutig rolle ich dem Abenteuer entgegen!”

Besonders hilfreich finde ich:

  • Mutsituationen sichtbar machen
    Wenn ein schüchternes Kind jemandem in die Augen schaut und zunickt, die Hand gibt, deutlich spricht oder sogar selbst eine Bestellung aufgibt, dann sind das Herausforderungen, die bewältigt wurden. Werden solche Herausforderungen gemeistert, dann kann man es gerade zu Beginn mit Tapferkeitsmedaillien oder – Urkunden sichtbar wertschätzen. Diese können selbst gebastelt sein oder ausgedruckt werden. Wenn ihr sie sammelt und irgendwo sichtbar macht, z.B. auf einer Pinnwand im Kinderzimmer, zeigt das dem Kind und uns Erwachsenen ganz deutlich, wie viele Fortschritte schon gemacht wurden. Schneller als ihr denkt, braucht es das alles gar nicht mehr.

    Von Superheld_innen lernen
    Von Superheld_innen lernen (c) Lukas Beck
  • Von Superheld_innen lernen und der Angst körperlich das Fundament entziehen und Entspannung üben.
    Wenn wir uns vor etwas fürchten, ziehen wir die Schultern ein, verkrampfen uns, atmen flacher. Auch auf dieser körperlichen Ebene ist es gut, wenn man ansetzt: Tief durchatmen trotz Angst, den Kopf heben, die Schultern wieder loslassen, das ändert schon etwas an der Angstwahrnehmung, gibt uns ein Gefühl von Stärke. Viele Kinder lieben Superheld_innen. Sich vorzustellen, wie Supergirl oder Superman mit wehendem Mantel durch die Welt zu laufen, das auch mal ganz bewusst nachzumachen, das hilft diese körperlichen Varianten zu erspüren und zu merken, wie unterschiedlich es sich anfühlen kann.
  • Zutrauen, dass auch ein schüchternes Kind mit den individuellen Grenzen und Begabungen Lebensglück finden wird.
    Sich zu präsentieren, sich zu vermarkten, Selbstdarstellung ist in unserer Gesellschaft unglaublich wichtig. Das war nicht immer so. Wer sagt, dass in Zukunft nicht vielleicht Bescheidenheit und Understatement wieder en vogue sein wird? Was wissen wir, welche Fähigkeiten in der Zukunft von Menschen gefordert sein werden? Manchmal hilft ein bisschen Bescheidenheit – auch Erwachsene wissen nicht alles und kämpfen oft genug mit eigenen Ängsten.

Könnt ihr euch noch an eigene Angstsituationen erinnern? Was hat euch als Kindern gut getan, geholfen, unterstützt?

BriG

Fotos © Lukas Beck, Brigitte Vogt

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