Mental Health Day – Internationaler Tag der psychischen Gesundheit

Im Zuge der Pandemie haben leider auch psychische Erkrankungen zugenommen, besonders Depression und Angststörungen. Viele Kinder und Jugendliche haben dabei besonders stark unter den Folgen der Lockdowns gelitten. Umso wichtiger ist es mir, heute am Tag der psychischen Gesundheit, darauf aufmerksam zu machen.

Psychische Erkrankungen und der Makel des Krank seins

Einerseits werden psychische Erkrankungen leider immer noch viel zu häufig spät erkannt. Der Leidensweg ist oft lang, sowohl bei betroffenen Erwachsenen als auch bei Kindern oder Jugendlichen. Besonders wenn man für Kinder die Verantwortung trägt, fällt es manchmal schwer, sich einzugestehen, dass man psychisch erkrank ist. Zwar ist die Überforderung, die Müdigkeit spürbar, aber es fällt schwer, sich vorzustellen, dass man die Verantwortung zeitweise auch abgeben kann, ja muss. Wartet nicht zu lange, denn Hilfe ist möglich, auch wenn es in der Depression nicht so aussehen mag.

Kinderbücher am Infotisch Psychische Gesundheit

Viel zu häufig wird eine psychische Erkrankung, Burnout, Depression oder Angststörungen auch als etwas gesehen, wo man nicht ausreichend auf sich aufgepasst hat, etwas, das eine vermeidbare Schwäche ist. Bei Kindern werden psychische Erkrankungen auch häufig als Teil der Entwicklung oder Persönlichkeitsmerkmal uminterpretiert. Ob es sich um entwicklungsübliche Ängste handelt oder schon in Richtung Angststörung geht, kann am Besten durch professionelle Diagnostik geklärt werden. Diagnostik ist auch dann hilfreich, wenn es darum geht abzuklären, ob das Kind einfach ein bisschen schüchterner ist als andere oder ob es dabei ist, eine Sozialstörung zu entwickeln und professionelle Hilfe benötigt. Vermeidungsverhalten führt dann dazu, dass manches nicht gelernt oder geübt wird und der Abstand zu Gleichalterigen sich vergrößert.

Kinder – hilflose Gegenüber oder aktive Mitgestalter_innen

Kinder neigen auch dazu, sich selbst die Schuld an ihrem vermeintlichen Versagen zu geben oder sich für die Verhaltensweisen der Bezugspersonen verantwortlich zu fühlen. Dies führt häufig zu Schuldgefühlen und Überforderung. Daher benötigen sie ganz besonders Achtsamkeit, ein offenes Ohr und Ermutigung. Übrigens, auch bei körperlichen Erkrankungen suchen viele Menschen die Ursachen bei sich. Dies führt häufig dazu, dass sich Menschen schuldig fühlen, sich nicht genug angestrengt, nicht genug für die Gesundheit getan zu haben oder sie bewusst geschädigt zu haben.

Schuldgefühle – Möglichkeit und Stolperstein

Ich kann mich noch erinnern, wie absurd es mir vorkam, als eine Freundin in ihrem Lebensstil, der so offensichtlich gesund war, nach Ursachen für ihren Brustkrebs suchte. Doch dieses Ursachen suchen im eigenen Verhalten und die damit verbundenen Schuldgefühle haben auch eine Funktion: Sie ermöglichen das vermeintliche Gefühl, die Sache unter Kontrolle zu haben. Die Erwartung von Selbstwirksamkeit ist eben so wichtig. “Wenn ich mich nur genug bewegt hätte, ausreichend geschlafen, gesund gegessen hätte, mit Stress umgehen gelernt hätte …, dann wäre ich nicht krank.” Ein Teil davon stimmt schon, aber ganz so einfach ist das eben nicht. Ein statistischer Zusammenhang ist keine Garantie. Und bei vielen Erkrankungen ist gänzlich unklar, warum sie ausbrechen.

Häufigkeit von Psychischen Erkrankungen

Laut einer Studie vom Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen aus 2020 leiden oder litt rund 39% der Befragten an einer psychischen Erkrankung. Dabei ist der Untersuchungszeitraum interessant: 2.3. – 17.3.2020. Schockierend sind auch folgende Ergebnisse:

  • Nicht einmal drei Viertel der Befragten (63%) würden der Familie oder den Freund_innen von einer psychischen Erkrankung erzählen.
  • 30.000 – 50.000 Kinder leben mit Depressiven Eltern – mehr dazu im Radio-Beitrag “Die vergessenen Kinder
  • Nur 31% der Befragten glauben, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen ebenso viel Unterstützung bekommen wie Menschen mit körperlichen Erkrankungen.
  • Lediglich 56% der Befragten wissen, an wen sich sich bei einer psychischen Erkrankung wenden würden.
  • Für 65% der Menschen wäre eine notwendige aber selbst finanzierte Behandlung einer psychischen Erkrankung nicht finanzierbar. Obwohl der Erfolg der Behandlung mit 48% und ein teilweise Erfolg von 41% beinahe 90% beträgt.
  • In Österreich ist Suizid sowohl bei Männern als auch bei Frauen bis zum 50. Lebensjahr eine der häufigsten Todesursachen, in den Altersgruppen 15 bis 29 Jahre sogar die zweithäufigste. Da Suizid häufig mit einer nicht erkannten oder nicht-behandelten Depression zusammenhängt, ist es so wichtig und macht Sinn, möglichst frühzeitig Hilfe zu holen. Das ist mir ganz besonders wichtig, weil sich im Umfeld meiner Kinder im letzten Jahr leider auch Suizide gehäuft haben.

Anlaufstellen bei Verdacht auf psychische Erkrankungen

Ein offenes Gespräch mit Freund_innen, mit der Hausärztin oder dem Hausarzt, ein Besuch bei der Familienberatung oder Psycholog_in können erste Schritte sein. Wichtig ist aber meiner Meinung auch, dass wir psychische Erkrankungen aus dem tabusisierten Eck holen und alle darüber reden: Nur so kann das Tabu abgebaut werden.
Auch Psychotherapie und gut abgestimmte medikamentöse Behandlung führen zu Verbesserungen und helfen aus der Krise. Denn psychischen Erkrankungen sind behandelbar und manchmal nur eine einmalige herausfordernde Phase im Leben. Manche Erkrankungen sind aber leider auch etwas, mit dem man leben lernen muss. Anlaufstellen findet ihr auf unserem Infoblatt Rat und Hilfe oder auf folgenden Seiten:

Kinderbücher zu Resilienz

Wer sich noch einlesen, einhören möchte

Psychische Erkrankungen sind Krankheiten wie andere. Schaut in der Kinderinfo beim Infotisch Psychische Gesundheit vorbei. Dort findet ihr neben Foldern und Flyern zu psychischer Gesundheit auch Kinderbücher zu Resilienz. Oder hört euch den Radio-Beitrag “Die vergessenen Kinder” zum Thema Kinder im Kontext psychisch kranker Eltern an.

BriG
Fotos (c) Brigitte Vogt

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