Achtsamkeit in schwierigen Zeiten

Manchmal hab ich das Gefühl, es geht schon ewig so dahin. Da fühlt es sich nach Einheitsbrei an, nach immer mehr vom Selben. Aber Achtsamkeit lehrt mich etwas anderes. Achtsamkeit ist eng mit Buddhistischer Praxis verbunden, wird aber auch ganz unabhängig davon angewendet. Es bedeutet, wahrzunehmen was ist. Dabei geht es vorrangig nicht darum, sich zu entspannen oder Stress loszuwerden. Es geht vielmehr darum, wahrzunehmen wie es heute, hier und jetzt für mich ist. Achtsamkeit ist unglaublich einfach. Jede_r kann es, jede_r hat es schon erlebt, jede_r hat es schon gemacht.

Leben auf Autopilot

Vieles machen wir ganz automatisch, ohne nachzudenken, ohne es uns Schritt für Schritt zu überlegen. Es ist auch wunderbar, dass wir nicht bei jedem Schritt ins Straucheln kommen, weil wir ja nebenbei noch atmen und vielleicht reden oder uns umschauen wollen. Andererseits entgeht einem so auf Autopilot halt auch einiges. Manchmal bin ich so in Gedanken, dass es sich so anfühlt, als hätte ich mich von der Arbeit in der Kinderinfo nach Hause gebeamt, ich nehme kaum wahr, was ich esse oder ich höre meiner Tochter nur mit halbem Ohr zu. Besonders letzteres hat unangenehme Konsequenzen.

(c) Brigitte Vogt

“Man kann nicht dem Leben mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben.”

Achtsamkeit bedeutet, einen Moment innezuhalten um wahrzunehmen, was ist: vielleicht bedeutet das, einen Moment wahrzunehmen was ich esse, wie schnell ich gehe oder wie tief ich atme. Es bedeutet, einen Moment innezuhalten und wahrzunehmen, was ist: wie ich sitze, was mein Gegenüber, die Nachrichten oder ein Film bei mir auslöst. Kein Moment ist gleich wie der andere und jeder Moment ist unwiderruflich, einmalig, und – schon vorbei. Gleichzeitig besteht unserer Leben aus genau diesen vielen einzelnen Momenten. Einen Moment achtsam zu sein, bedeutet einen Moment so intensiv zu erleben, wie den Sonnenaufgang im Urlaub, der erste Blick in das Gesicht eines Neugeborenen oder der Moment, als eine schlechte Nachricht uns erreicht. Es bedeutet nicht, dass alles gut ist, aber es bedeutet intensiveres Lebendig sein.

Mit Herausforderungen leben – schwierige Gefühle wahrnehmen

Achtsamkeit bedeutet, dass auch schwierige, belastende, unangenehme Gefühle wahrgenommen werden und in den Vordergrund rücken. So ist es mir gegangen, als ich vor kurzem an einer Umfrage zu den Auswirkungen von Corona teilgenommen habe, bei der mir richtig klar wurde, was ich alles vermisse und dass ich manchmal einfach Corona-Frust habe. Unangenehme und traurige Gefühle. Doch im Hintergrund hätten diese Stimmungen mich sowieso beeinflusst. Sie wahrzunehmen, ihnen kontrolliert Raum zu geben, ermöglicht es, dass man bewusst damit umgeht. Dass man Entscheidungen trifft und handelt. Und dass sie, wenn Gefühle sein dürfen, auch wieder durch andere Gefühle abgelöst werden können. Denn Achtsamkeit lässt uns im Alltag erfahren, dass auch Schmerz oder schwierige Gefühle nicht immer gleich intensiv sind, dass sich Gefühle und Stimmungen wandeln, dass neben all dem Herausfordernden, Schwierigen, Öden auch viel Schönheit, Leichtigkeit, Glück und Freude dazu gehören.

Zuversicht und Hoffnung

Glück und Leichtigkeit in herausfordernden Zeiten warhzunehmen, ist eine Kunst, die man lernen kann. Dann können schöne, hilfreiche, stärkende Gefühle mitten in der Krise aufblitzen. Das können Kleinigkeiten sein wie das Lachen eines Kindes, ein Sonnenstrahl auf der Haut oder ein Baum, der sich im Wind bewegt und kurz unsere Aufmerksamkeit bündelt. Und in diesem kurzen Aufblitzen kann man manchmal einen Moment ausruhen und neue Kraft schöpfen. Solche Situationen sind wertvoll und lassen uns durchhalten. In manchen Situationen ist es aber allein einfach zu schwierig, diese Momente aufzustöbern, oder es sind einfach nicht mehr ausreichend da, dann ist es gut, diese Überforderung wahrzunehmen und sich Hilfe zu holen. Denn auch in schwierigen, aussichtslos erscheinenden Situationen gibt es Unterstützung und Lösungen, die wir manchmal nicht allein finden können.

Lust bekommen, Achtsamkeit auszuprobieren?

BriG
Fotos (c) Brigitte Vogt

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