Abgrenzung nicht gern gesehen bis erwünscht

Sich abzugrenzen ist für viele nicht so einfach. Schließlich will man die Freundin nicht enttäuschen und der kleine Umweg macht ja nichts oder das Geschenk trifft zwar nicht ganz meinen Geschmack, aber es war doch so lieb gemeint.

Wir alle haben unsere eigene Geschichte mit dem Abgrenzen vorgelebt bekommen. Aber es ist auch nie zu spät es sich stückweit weiter anzueignen. Dazu gibt es auch einige Kinderbücher, die dieses Thema ganz unterschiedlich aufgreifen. Vielleicht bringt es euch ja mit euren Kindern ins Gespräch und ihr erweitert gemeinsam euer Wissen über eure eignen Grenzen und mögliche Strategien der Abgrenzung.

Nein heißt nein versus Ja heißt ja

Es gibt Kulturen wie unsere, in der es ums Abgrenzen geht: Solange man keinen Einspruch erhebt, ist es okay. Das ist z. B. auch beim Organspenden so, wo ich persönlich diese Einstellung sehr sinnvoll finde. Aber auch bei anderen Dingen wie z. B. sexuellem Übergriff, wo eine Schockstarre dieses aktive Nein sagen manchmal schwierig macht. In anderen Ländern geht es daher einen Schritt weiter, da wird die Zustimmung nicht vorausgesetzt, sondern ist erforderlich. Nur ja heißt ja – das wird Zustimmungslösung genannt.

Kinderbüchern über Gefühle

Gleichzeitig birgt die Betonung darauf, dass Kinder lernen müssen, sich gegen unangemessenes Verhalten abzugrenzen, noch einen weiteren Trugschluss. So kann man auf der Homepage der Beratungsstelle Selbstlaut auf Seite 9 lesen: “Bücher zum Nein-Sagen sind unseres Erachtens nicht empfehlenswert, weil die Verantwortung, Nein zu sagen, immer noch und immer wieder den Kindern zugeschoben wird oder weil die guten Lösungen eher eindimensional und damit unklar sind. Daher empfehlen wir hier keine klassischen “Nein”-Sage-Bücher.” Hier stellen wir trotzdem welche vor, allerdings erscheint uns der Einwand richtig und wichtig und auch unser Schwerpunkt der Buchempfehlungen daher auf anderen Bereichen.

Körperbücher (c) Luna Dietrich

So ist z. B. das Erspüren der eigenen Grenzen und Komfortbereiche wichtig und es macht Sinn, sich damit auseinanderzusetzten. Also zuerst einmal Gefühle wahrnehmen, dann diese auch artikulieren lernen. Da können Kinderbücher gut unterstützen. Auch weil wir Erwachsenen unsere eigenen Lieblingsgefühle haben, über die wir gerne sprechen und jene, die wir gar nicht haben wollen.

Wenn ihr wissen wollt, wie ihr eure Kinder gegen irritierendes Verhalten stärken könnt, dann findet ihr hier Tipps von Selbstlaut. Hier stellen wir euch erste Bücher zum Thema Gefühle vor und hier findet ihr nette Körperbücher für Kinder.

Gefühle. Deborah Marcero. Adrian Verlag (ab 2 J.)

Welche Gefühle fallen euch da ein? Mit welchen Gefühlen verbindet ihr Glück? Dieses Buch wird vielleicht eure Sichtweise ändern und daher finde ich, ist es ein wunderbarer Einstieg in das Thema.

Gefühle (c) Adrian Verlag

Leander, der kleine Hase versteckt zuerst einfach alle unangenehmen Gefühle in einem Schrank, wo er sie nicht sehen und spüren muss. Das klappt eine Zeit lang, doch dann wird es zu viel und alles kommt hoch. Dass das nicht nur zu viel, sondern auch wohltuend und bereichernd ist, erlebt man hier anschaulich mit. Dabei ist es entzückend gezeichnet und die sprechenden Bilder rücken jedes Gefühl in ein gutes Licht. Ein Buch, das ich als Psychologin liebe und das eindeutig zu meinen liebsten Kinderbüchern über Gefühle gehört.

Mir reichts! Raquel Bonita. Carl Auer Verlag (ab 3 J.)

Diese Buch greift das altbekannte Thema auf: Es kommt jemand zu Besuch, der das Baby oder Kind so süß findet und meint, dass es einfach ungefragt geknuddelt oder geküsst werden kann. Dass nicht nur unangenehm sondern auch angstmachend sein kann, wird in diesem Buch deutlich gezeigt. Doch irgendwann reicht es der kleinen Ich-Erzählerin und sie wehrt sich.

Mir reichts! (c) Carl Auer Verlag, Brigitte Vogt

Dieses Kinderbuch, das mit kurzen Texten und flotten Bildern aufwartet, gefällt mir sehr. Besonders gelungen finde ich die einfühlsame Darstellung und dass es ein tolles Vorbild ist: denn auch in einem ängstlichen Kind schlummert ein wehrhaftes Menschenkind, das sich den Respekt für die eigenen Grenzen auf unterschiedliche Art einfordern lernt.

Küssen nicht erlaubt © Herder, Kerle Verlag, JuR

Auch ein nettes Buch ist Küssen nicht erlaubt, bei dem es ums ungefragte Knutschen von Kindern geht. Wie Lea das löst könnt ihr hier nachlesen.

Soll ich es sagen? Eine Geschichte über Geheimnisse. Clemens Fobian und Mirjam Zels. Marta Press (ab 3 J.)

In diesem Buch geht es um zwei Geheimnisse. Das gute Geheimnis ist das Geburtstagsgeschenk für Pauls Freund, das eine Überraschung sein soll. Aber es gibt auch das Geheimnis, mit dem sich Paul nicht wohl fühlt, die zerbrochene Fensterscheibe, von der die großen Jungen sagen, es müsse ein Geheimnis bleiben.

Soll ich es sagen (c) Marta Press

Paul macht sich vorsichtig auf die Suche, wie mit so einem unangenehmen Geheimnis umzugehen ist, fragt bei Marlene nach und bei seinem Onkel. Von beiden erhält er wichtige Zusatzinformationen. Besonders der Tipp seines Onkels, dass jeder Mensch einen Menschen braucht, dem er alles erzählen kann.

Was man wem erzählen darf, ist nicht immer einfach. Besonders für Kinder, die sich an Regeln halten möchten und niemandem etwas Schlechtes wünschen. Daher finde ich dieses Buch sehr hilfreich für Kinder, da sie hier einen guten Gradmesser an die Hand bekommen, wie sie mit Geheimnissen oder unangenehmen Gefühlen umgehen können.

Kinderecke in der Bücherei Wieden

Auch ein sehr nettes Buch, in dem es um ein Geheimnis geht ist Millis ungeheures Geheimnis. Meine Kinder haben das geliebt, aber leider ist es nur noch gebraucht verfügbar.

Das komische Gefühl. Hans-Christian Schmidt und Andreas Német Klett Kinderbuch (ab 4 J.)

Wir alle kennen es, man hat ein komisches Gefühl und dann kann man danach handeln oder nicht. Dieses Buch ermuntert dazu, dieses komische Gefühl wahrzunehmen und es als Unterstützung kennen zu lernen. Dabei wird zuerst aus der Sicht des komischen Gefühls heraus beschrieben, in welchen Situationen es auftreten kann z. B. in der Dunkelheit, wenn jemand zu viel von einem wissen will oder der Sport-Trainer in die Dusche kommt.
Ungefähr in der Mitte des Buches gibt es die gelbe Seite, die größer ist als die Seiten vorher und auf der “Nein! Ich will das nicht . Hör auf! Lass sein!” steht.

Das komische Gefühl (c) Klett Kinderbuch

Dann wird ausgeführt, dass man immer Nein sagen darf, auch wenn man zuerst nichts sagte und dass man das auch durch Kopfschütteln oder Weggehen zeigen kann. Und wenn der andere kein “Doofi” ist, dann wird er danach handeln. Und wenn nicht? Dann holst du dir Hilfe, bei jemandem, dem du vertraust.

An diesem Buch gefällt mir, dass es auf dieses komische Gefühl hinweist, das eigentlich immer ein guter Gradmesser ist, ob etwas für uns jetzt passt oder nicht. Dies Kindern mitzugeben, finde ich hilfreich, auch wenn hier das nein sagen schon sehr in den Vordergrund gerückt wird.

Kinderecke in der Bücherei Seestadt Aspern

Ein klassisches Buch über das Nein-Sagen und Abgrenzung. Außerdem zeigt es ganz gut, dass kleine Mädchen nicht süß sein müssen. Die Illustrationen sind sehr großflächig und bunt und es gibt relativ wenig Text. Die Geschichte lässt sich für Kinder daher auch gut über die Bilder mitverfolgen. Das Buch ist vergriffen, aber in den Büchereien Wien könnt ihr es ausborgen.

Mein Körper gehört mir! Dagmar Geisler Loewe Verlag (ab 5 J.)

Dieses Sachbuch möchte Kinder für das Thema Missbrauch sensibilisieren, indem es sämtliche Themen aufzeigt: Dass man nur selbst über den eigenen Körper bestimmen kann, dass man manchen nahe sein will und anderen nicht und dies auch ablehnen darf. Dass sich das auch verändern kann und man manchmal kuscheln will und dann wieder nicht. Dabei ist es ein klassisches “Nein-Sage-Buch” das auch dazu ermuntert, es einmal auszuprobieren: “Nein, da will es nicht!” oder “Fass mich nicht an!” Und auch, dass es gut ist, mit jemanden zu reden, wenn jemand das eigene Nein nicht akzeptiert oder jemand einem etwas zeigt, das befremdet.

Mein Körper gehört mir! (c) Loewe Verlag

Dass all diese Themen mit so wenig Text und doch so auf den Punkt gebracht dargestellt werden, finde ich an diesem Buch wirklich beeindruckend. Besonders gefällt mir hier, dass eben auch thematisiert wird, dass es Menschen gibt, die sich über ein “Nein” auch hinwegsetzten und das nicht der eigene Fehler ist.

Übrigens gibt es dazu auch ein Theaterpädagogisches Angebot für Schulklassen, das über die Wiener Bildungschancen günstig gebucht werden kann.

Mein Körper gehört mir – auch im Sport! Dagmar Geisler, Alexandra Ndolo Loewe Verlag (ab 7 J.)

Nora ist eine gute Turnerin und als im Verein ein neuer Trainer beginnt, hat sie bei seinen Hilfestellungen ein ungutes Gefühl. Sie ringt mit sich, aber als sie merkt, dass sie so nicht mehr Turnen mag, spricht sie es schließlich aus. Das wird von beiden Trainer_innen aufgegriffen und der Trainer erzählt von seiner eigenen Missbrauchsgeschichte. Am Schluss werden noch 4 Punkte verfasst, die besonders wichtig sind:

  1. Mein Körper gehört mir! Auch im Sport!
  2. Ich passe auf meinen Körper auf
  3. Ich mach den Sport, weil ich es will und nicht für jemand anderen
  4. Ich bin nicht allein
Mein Körper gehört mir – auch im Sport! (c) Loewe Verlag

Dieses Buch gefällt mir, weil es viele wichtige Punkte in Bezug auf Sport, Vereinssport und Leistungssport aufgreift und es die Befürchtungen von Kindern ernst nimmt. Gleichzeitig wird ganz klar, wie mutig das Ansprechen ist und dass die Verantwortung für die Taten immer bei den Erwachsenen liegt. Man merkt, dass mit der Leistungssportlerin Alexandra Ndolo jemand involviert war, die sich auskennt.

Was glitzert denn da? Daria Locher und Paticia Strübin. ACHSE VERLAG (ab 8 J.)

Der Untertitel “Ein Buch über Menschen, Körper, Wachsen und sich Gernhaben” sagt eigentlich alles aus. In diesem Buch, wo auf vielen Seiten ein kleines Herz glitzert, geht es um unterschiedliche Körper, ums Erleben und die Entwicklung und natürlich auch um Sex.

Was glitzert denn da (c) ACHSE VERLAG

Aber da kommt zuerst die Unterschiedlichkeit unserer Körper, das Gernhaben und die Selbstliebe, das Ja und Nein sagen und die Lust. Mit Befruchtung und Geburt ist es aber noch nicht zu Ende, sondern auch die unterschiedlichsten Familienformen werden dargestellt.

Berührung ist ziemlich strange. Fachbücher für jede:n. Steve Haines, Sophie Standing, Weronika M. Jakubowska Carl-Auer Verlag GmbH

Dieses Buch, eine coole Graphic Novel, ist vielleicht schon etwas für wissbegierige Teenager, ganz bestimmt aber etwas für Eltern, die mehr über die Bedeutung von Berührung wissen wollen. Zuerst hat mich die Aufmachung etwas irritiert, da stehen dunkle Seiten in grau-schwarz Schattierungen helleren in braun-orange-weiß gegenüber. Doch das Buch ist wirklich ein Geheimtipp.

Berührung ist ziemlich strange (c) Carl-Auer Verlag GmbH

Mit wenig Text wird hier sehr viel Wissen vermittelt, davon, wie wichtig für uns Menschen Berührungen sind. Vom Frühchen, das bessere Überlebenschancen hat, wenn es an der bloßen Brust gehalten wird über rumänische Waisenkinder, die aufgrund von Berührungsmangel in schlechtem Gesundheitszustand waren, bis zu alten Menschen, denen Berührungen fehlen und sie sich einsam fühlen – Berührungen, besonders Beziehungsberührungen tun uns allen gut. Aber was passiert da eigentlich? Was benötigt man für gute Beziehungs-Berührungen? Oder was kitzeln bringen kann? Dem geht der Körpertherapeut Steve Haines hier auf die Spur und man erfährt auch einiges darüber, wie Körpertherapie wirkt und warum Massage nicht weh tun muss.

Kinderecke in der Hauptbücherei

Für all jene, die tiefer eintauchen möchten, sind auf jeder Seite am unteren Rand weiterführende Texte und Zitate in kleiner Schrift, die noch weiter ins Thema einführen. Außerdem gibt es 4 Übungen, die das Wesen von Beziehungsberührung vermitteln. Und auf der letzten Seite ist ein Literaturverzeichnis, das allerdings fast nur auf englische Bücher verweiset.

Lust auf mehr?

JuR, BriG
Titelbild (c) Mir reichts! Carl Auer Verlag, Brigitte Vogt
Fotos (c) Brigitte Vogt, JuR, Verlage

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