Gastbeitrag von Viki, Beraterin in der WIENXTRA-Jugendinfo, bloggt regelmäßig auf buuu.ch
Wie wichtig Kinderbücher in der Vermittlung von Werten wie Mitgefühl oder Verständnis von unterschiedlichen Lebenslagen sind, zeigt sich, nicht nur, aber besonders heutzutage. Die allermeisten Bücher richten sich an ein junges Publikum, dennoch sind diese auch für die Großen überaus sehens- und lesenswert. Viele Bücher lassen sich unkompliziert im Projektunterricht verwenden, da sie ohne große Worte auskommen, und Ausgrenzung und Diskriminierung zum Thema machen, ohne konkret Menschen abzubilden.
Am Langen Tag der Flucht 2019 hatten wir in der WIENXTRA-Jugendinfo zum ersten Mal die Gelegenheit mit Jugendlichen zwischen 15 und 17 aus einer Höheren Lehranstalt zum Thema zu arbeiten. Ihr Feedback zu den vorgelegten Büchern fiel positiv aus: Die allermeisten Schüler_innen hielten die Bücher für gelungene Beispiele, die gut dafür geeignet sind, Themen wie Flucht und Asyl, Kriege und Grenzen sowie das Ankommen an einem fremden Ort zu vermitteln. Und zwar für alle Altersgruppen.
Kinderbücher zum Thema Flucht
„Wir leben unter einem Himmel, hier bei uns zu Hause.
Wir leben unter einem Himmel, in jedem weit entfernten Land.“
So beginnt eins der schönsten Kinderbücher der letzten Jahre, und gerade weil die Botschaft so simpel gehalten ist, spiegeln die Zeichnungen wunderbar wieder, was die Menschen verbindet. Liebe, Träume, die gleichen Spiele und brausende Stürme berühren uns und schaffen unsichtbare Verbindungen. Britta Teckentrups Werk „Zusammen unter einem Himmel“ (ars Edition) richtet sich an alle Kinder ab 4 Jahren, und dennoch ist es ein Buch für alle Menschen. Künstlerisch sehr schön gestaltet, feines Papier und große Gucklöcher schaffen Platz für grenzenlose Phantasien, wie denn die Welt ausschauen könnte, wenn nicht… Ja, wenn nicht Krieg und Verfolgung, Hass, Flucht, Tod, Gewalt und Angst an vielen Ecken lauern würden.
Wie zum Beispiel im Buch der Knöpfe von Franck Prévot „Alles lief gut…“ (TintenTrinker-Verlag): Auf den Seiten werden Knöpfe in zwei unterschiedlichen Farben positioniert. Diese Knöpfe erzählen die Geschichte vom anders sein, von Integration, Diversität, vielleicht auch von Assimilierung, Anpassung und Aufgehen in der Gemeinschaft. Rassismus wird dadurch erkenn- und verstehbar, aber auch jede andere Form von Unterdrückung einer Minderheit durch die Mehrheit.
Vor allem stimmungsmäßig treffen die Bilderbücher den wunden Punkt
In „Marwans Weg“ von Patricia de Arias und Laura Borràs (Michael Neugebauer Edition) liegt der Fokus auf dem Weggehen, der Reise ins Unbekannte und dem Zurücklassen des geliebten Zuhauses. Ich weiß nicht, wie hart das Herz und wie verbohrt der Kopf sein muss, um die Botschaft dahinter nicht zu erkennen: Niemand geht freiwillig nur mit einem Köfferchen von zu Hause weg, quer durch die Wüste, über das stürmische Meer, in dem so viele ihr Leben lassen mussten, ohne Eltern und nur mit den Erinnerungen im Kopf.
Die Fluchtgeschichte des Philosophen Walter Benjamin spielt hingegen nicht in der Jetztzeit und doch ist sie aktuell wie nie. Benjamin musste 1940 aus Frankreich vor den Nazis fliehen und schleppte dabei einen riesigen, unhandlichen Koffer mit sich. „Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin“ von Pei-Yu Chang (Nord-Süd Verlag) ist vor allem ein Plädoyer für Fluchthilfe, Solidarität und gegenseitige Unterstützung. Geeignet für Kinder ab ca. 6 Jahren thematisiert das Buch die Stimmung auf der Flucht, die offenen Fragen dabei und die Hoffnungslosigkeit, die sich stets mit der Hoffnung, dass alles gut wird, abwechselt.
Bücher, bei denen das Herz vor Freude zu hüpfen beginnt
Die vielen Kinderbücher, die sich mit dem Thema Flucht beschäftigen, sind meist keine klassischen feel-good-Werke mit großem Kinderlachen und bunten Farben. Vielmehr tut sich am Kinderbuchmarkt ein eigenes Genre auf, das die Grenzen zwischen Bilderbuch, Grafik Novel und Comic verschwimmen lässt und philosophische Fragen aufwirft, die nicht nur für Kinder spannend zu diskutieren sind. Und doch auch gibt es sie: Die Bücher, bei denen das Herz vor Freude zu hüpfen beginnt und nichts als Wärme zurücklassen. „Alle sind willkommen“ von Patricia Hegarty und Greg Abbot (ars Edition) leistet genau das. Die in Reimform gehaltene Geschichte öffnet unsere Arme und Herzen für alle, die auf der Suche nach dem guten Leben sind.
Kinderbücher als Teil der menschlichen Kulturgüter tragen fundamental dazu bei, dass die Narrative unserer Zeit um die von geflüchteten Menschen bereichert werden. Umso wichtiger, dass diverse Kinderbücher nicht mehr verzweifelt gesucht werden müssen, sondern in den Buchhandlungen gut auffindbar sind. Und noch schöner, dass sie uns vermitteln, dass sich hinter dem hässlichen Wort „Flüchtlingsstrom“ Menschen wie du und ich verbergen, die unsere Solidarität bitter nötig haben.
Wir lesen gern, darum stellen wir euch hier im Kinderinfo-Blog immer wieder Kinderbücher vor:
- zum Thema Kunst und zu Gefühlen, z.B. zu Aggression,
- Mitmachbücher für kleine Kinder
- Kinderbücher zum Thema Diversität, Flucht und Asyl,
- Ausscheidungen,
- zum Thema Tod,
- unsere liebsten Hexen und Piraten- und Pirat_innen-Bücher,
- unsere Kinderbuch-Hitliste sowie
- Buchtipps zu Lesen Lernen und für die Volksschulzeit,
- und Sachbücher, immer wieder Sacherbücher, weil die einfach so beliebt sind.
- Aber auch ein paar Tipps zu Hörbüchern und Bücher zum Thema Nachhaltigkeit stellen wir euch hier im kinderinfo-Blog vor.
Titelbild (c) WIENXTRA
Fotos (c) ars Edition, Michael Neugebauer Verlag
7 comments on “Kinderbücher zum Thema Flucht”