In der Psychologie sind Resilienz und Selbstwirksamkeit sehr mächtige Konzepte, hinter denen sich ein Schlüssel zu psychischer Gesundheit verbirgt. Resilienz bedeutet dabei Widerstandsfähigkeit und bezeichnet die Fähigkeit eines Menschen, Lebenskrisen oder akuten Stress ohne anhaltende Beeinträchtigungen durchzustehen. Das Gegenteil von Resilienz ist Vulnerabilität, welche die Verwundbarkeit oder Verletzlichkeit eines Menschen bezeichnet. Und mit Selbstwirksamkeit ist eine Erwartung gemeint, dass das eigene Handeln einen Unterschied macht, dass man das eigene Leben und idealerweise auch das der Gemeinschaft positiv beeinflussen kann. Hier möchte ich ein paar Kinderbücher vorstellen, die sich direkt oder indirekt mit Resilienz auseinandersetzten.
Resilienz fördern?
Es schadet nie, sich über Resilienz zu informieren und Dinge zu tun, die uns stärken, bei denen wir uns gut spüren oder auftanken. Geratet aber nicht in die Falle, Resilienz auf Biegen und Brechen fördern zu wollen. Denn das kann leicht in Richtung Selbstoptimierung entgleisen. Seid achtsam, um zu spüren, was dran ist. Seid freundlich zu euch und Anderen. Habt Verständnis und Mitgefühl, für die großen und kleinen Schwierigkeiten, die eure Kinder zu bewältigen haben. Traut ihnen was zu aber überfordert sie nicht. Verlangt also auch nicht zu viel Resilienz von ihnen. So wie sie sind, sind sie okay. Vor diesem Hintergrund und einem guten familiären Gesprächsklima lässt sich viel bewältigen.
Sieben Kinderbücher, die sich mit Resilienz auseinandersetzen
Ich bin jetzt …. glücklich, wütend, stark (ab 3 Jahren)
Constanze von Kitzing, Carlsen Verlag
Das ist eines von den kleinen Pappbüchern, die ich einfach gerne mag und wirklich empfehlen kann. Nicht nur, dass es auf tolle Weise Gefühle und Selbstzuschreibungen aufgreift. Die knappen Texte werden meist auf mehreren Seiten mit passenden Gegebenheiten dargestellt, die zum kindlichen Erfahrungshorizont passen. Dabei sind die Bilder einfach entzückend. Es ist ein Vergnügen, das Buch durchzublättern und sich anregen zu lassen.
Ein Büchlein, konsequent in der Ich-Form geschrieben, ist nicht nur schön sondern hilft auch dabei, sich und andere besser kennen zu lernen. Sich wahrzunehmen ist ungemein wichtig. Denn zu wissen, wie es mir gerade geht, es benennen zu können und darüber reden zu können, ist nicht nur ein Schritt in Richtung Gewaltvermeidung. Besonders in Phasen, wo es einem nicht so gut geht, ist es sehr hilfreich, wenn man darüber mit anderen reden kann.
Noch mehr Bücher, die sich mit Gefühlen beschäftigen, stellen wir euch hier vor.
Das Gute daran: Bei Mama und bei Papa (ab 3 Jahren)
Anne Rickert, Sabine Heine, Tyrolia Verlag
Wenn Eltern sich trennen, dann ist das für Kinder oft eine belastende, schmerzhafte Erfahrung. Dass das aber auch Gutes mit sich bringen kann, da setzt dieses Buch an. Dabei werden durch die unterschiedlichen Vorlieben der Eltern für den Ich-Erzähler verschiedene Möglichkeiten erlebbar. Dass die Eltern jetzt nicht mehr streiten und glücklich sind, entspricht vermutlich nicht immer der Lebensrealität, dennoch gefällt mir dieses Buch sehr.
Sein Gewinn liegt für mich darin, dass es anregt, sich auf die Suche nach “dem Guten” in jeder Situation zu machen. Möglichkeitsräume auch in schwierigen Lagen zu finden, das ist wohl eines der wichtigsten Fähigkeiten in Bezug auf Resilienz und Widerstandskraft.
Der Kummerkönig (ab 4 Jahren)
Lydia Keune-Sekula, Franziska Becker, Mebes&Noack Verlag
Dieses Buch ist zur Gänze in Reimen geschrieben und führt durch verschiedenste Situationen, in denen sich Kinder allein gelassen fühlen können. Manche davon sind recht heftig, z. B. wenn die depressive Mama nicht mehr spricht oder der Papa zuschlägt. Andere Situationen sind alltäglicher, wie Streit zwischen den Eltern, ausgelacht werden oder immer mit anderen verglichen werden.
Mir gefällt an dem Buch, dass es mit dem Kuschelbären eine Identifikationsfigur für Kinder schafft, die immer da ist und zum Reden einlädt. Kummer rauszulassen, benennen zu können, ist ein wichtiger Schutzfaktor und stärkt dadurch Resilienz. Dabei ist der Kummerkönig nicht nur ein freundlicher Bär, der schwierige Situationen salopp in Reimen benennen kann, sondern auch jemand, der hinter die Fassade sieht und zugewandt bleibt, wenn andere sich abschrecken ließen. Ein Buch, das einlädt, genau hinzuschauen, was hinter dem Verhalten stecken könnte und dadurch die Empathie schulen kann.
Ein weiteres Buch sehr nettes Buch, das mit einem Märchen die Resilienz von Kindern im Kindergarten und Volksschulalter fördern will, ist Das Eulengeheimnis, das hier vorgestellt wird.
Dein innerer Schatz (8-12 Jahre)
Durch Selbstbeobachtung und Reflexion die Persönlichkeitsentwicklung stärken: Band 32 der Original SOWAS!-Reihe. Scarlett Müller-Mangelberger, Sigrun Eder
SOWAS!-Bücher werden von Expert_innen geschrieben und möchten Kinder zu Experten für sich selbst machen. Zuerst wird eine Geschichte erzählt, hier die von Ivi in Reimform. Wir begleiten Ivi dabei, wie sie sich mit unterschiedlichen Tieren identifiziert. Schlussendlich will sie aber doch am liebsten sie selber sein.
Die zweite Hälfte des Buches stellen Anregungen dar, die das Kind selbst ausfüllen oder auch mit einem Erwachsenen gemeinsam bearbeiten kann. Dabei geht es um Fragen wie “Was gefällt dir an deinem Äußeren?”, “Welche Aktivitäten bereiten dir Freude?” oder wenn man einen Fehler gemacht hat: “Welcher hilfreiche Satz tröstet dich?” Immer wieder gibt es auch Dinge zum Zeichnen oder anmalen, z. B. wie stark der innere Kern im Moment ist.
Auch wenn mir die Reimform hier nicht so gut gefallen hat, so bietet der Anhang viel Material, wie man die Selbstwahrnehmung eines Kindes fördern und dadurch auch die Resilienz stärken kann.
Glück (ab 11 Jahren)
Björn Lengwenus, Carlsen Verlag
Sich mit Dingen zu beschäftigen, die uns glücklich machen, tut einfach gut. Ich finde, das kann man gar nicht oft genug tun! Denn zu wissen, was uns stärkt, wo oder wie wir auftanken können, das fördert nur die Resilienz und hilft einem, besser durch schwierige Zeiten zu kommen. Da setzt dieses Buch an.
Vom Recht auf Glück, über Ergebnisse der Glücksforschung was (nicht) glücklich macht bis zu Stolpersteinen zum Glücklichsein ist in dem Buch ein weiter Bogen gespannt. Immer wieder laden Übungen ein, sich Gedanken zu machen, was individuell glücklich macht. Gerüche, Töne, Orte – begebt euch mit diesem Buch auf eine Glückssuche. Es richtet sich zwar an Jugendliche ist aber für alle super, die sich ein paar glückliche Stunden verschaffen möchten.
Psychische Erkrankungen kindgerecht erklären
Als ein guter Freund an einer Depression erkrankte, wurde mir bewusst, wie stark psychische Erkrankungen in eine Familie eingreifen können. Da sie nicht nur den Körper betreffen, sondern eben den Menschen als Ganzen, wirken sie sich intensiv auf das gesamte Familiensystem aus. Das fordert alle beteiligten heraus. Daher möchte ich hier ein paar Bücher zum Thema Psychische Erkrankungen vorstellen:
FUFU und der grüne Mantel (ab 4 Jahren)
Vera Eggermann, Lina Janggen, Herausgegeben von AstraZeneca
Obwohl diese Broschüre schon recht alt ist, finde ich sie wirklich gelungen. Das Thema psychische Erkrankung wird hier sensibel, kindgerecht und liebevoll aufgegriffen. Dabei wird nicht nur geschildert, wie sich Fufus Welt plötzlich verändert, als der Vater erkrankt. Ganz nebenbei werden hier Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt:
Eine verständnisvolle Mutter, die über die Krankheit mit dem Sohn spricht und der es gelingt Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln. Auch die Nachbarn sind wichtig, die für Fufu da sind und bei denen er sich erholen und Kind sein kann. Im Spiel mit ihnen ist die Welt in Ordnung und Fufu kann Kraft tanken. Das Buch endet mit einem Anhang von Dr. med. Gianni Zarotti, der die Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik Neuhaus leitete. Hier könnt ihr euch die Broschüre gratis herunterladen: https://bit.ly/2XRVOtF
Lila und das R-Team. Ein Bilderbuch über Resilienz (ab 4 Jahren)
Thomas Köhler-Saretzki, Alexcandra Roszak, Balance Verlag
In Deutschland leben 5-6 Millionen Kinder mit einem psychisch erkrankten Elternteil. Von so einem Kind handelt dieses Buch. Eigentlich ist es ein Fachbuch, da die Autor_innen Psycholog_innen und Therapeut_innen sind. Aber zum Buch:
Das R-Team ist Lisas Ressourcen-Team, das aus vier Teilen besteht:
- Fabia ist Lisas wichtigster Schutzfaktor und steht für ihre Bindung zu ihren Eltern. Dies benötigt einerseits emotionale Wärme, Geborgenheit, aber auch Sicherheit und Klarheit.
- Petja soll Lisas personale Ressourcen verkörpern; hier spielen persönliche Selbstwirksamkeitserlebnisse oder Anpassungsfähigkeit eine Rolle.
- Sofia steht für ein stabiles Umfeld; da geht es um Beziehungen außerhalb der Familie, um Nachbarschaft, Schule oder Sportverein.
- Gesa steht für die genetischen Ressource, die Lisa ins Leben mitgebracht hat. Die sind zwar nicht so flexibel zu verändern, dafür sind sie verlässlich.
Diese Anteile helfen Lisa, als es ihrer Mutter nicht gut geht. Auf jeder Seite ist eine ganz kurze allgemeine Information, auf der rechten Seite ist die Situation dargestellt und links steht der Text. Ganz am Schluss des Buches ist noch Hintergrundinfo zu Resilienz und wie man sie stärken oder fördern kann.
Obwohl ich die Zwischengespräche des R-Teams manchmal als kompliziert empfinde, finde ich dieses Buch hilfreich. Einerseits, um die Problematik von Kindern mit psychisch erkranktem Elternteil aufzuzeigen. Und andererseits gibt es konkret mit, was hilfreich ist: offen darüber reden, in der Familie und außerhalb, ein gutes soziales Netz mit weiteren Bezugspersonen und Klarheit über die Erkrankung. Das kann manchmal schwieriger sein, als vermutet.
Mein schwarzer Hund. Wie ich meine Depression an die Leine legte.
Matthew Johnstone, Kunstmann-Verlag.
Jede vierte Frau und jeder sechste Mann geraten einmal in ihrem Leben in eine Phase der Klinischen Depression. Dieses Buch beschreibt so eine Phase. Dabei ist es eigentlich gar kein Kinderbuch, aber ich finde es nach wie vor sehr hilfreich um mit Kindern über Depression zu sprechen. Einerseits, weil es sehr gut aufzeigt, wie sich jemand fühlt, der daran erkrankt ist. Dass Matthew Johnstone selbst an einer Depression litt, macht dieses Buch zu einem sensiblen Vermittler, wo der oder die Betroffene vielleicht keine Worte findet.
Andererseits auch, weil hier gleichzeitig aufgezeigt wird, wie viele Behandlungsmöglichkeiten es gibt: Medikamente, Psychotherapie, mit Freund_innen darüber reden, andere Betroffene kennenlernen, Entspannung und ausreichend Schlaf, Humor, Bewegung, … Dass das Buch mit einem Bild endet, an dem der übermächtige große schwarze Hund wieder zu einem kleinen Welpen geschrumpft ist, mit dem man leben kann, finde ich ein gutes Ende. In einem weiteren ebenso gelungenen Band “Mit dem schwarzen Hund leben” geht es darum, wie Angehörige und Freunde depressiven Menschen helfen können, ohne sich dabei selbst zu verlieren.
Lust auf Mehr?
- Auch Kinderbücher zum Thema Angst und Aggression stellen wir euch hier im Kinderinfo-Blog vor.
- Ideen, was schüchternen Kindern helfen kann, haben wir hier gesammelt.
- Auch Ideen zum Entspannen, Achtsamkeit oder Krisen als Familie bewältigen könnt ihr hier nachlesen.
- Oder lest bei Netz und Boden nach, welche hilfreichen Verhaltensweisen wir von resilienten Menschen lernen können.
- Ihr sucht Rat und Hilfe? Egal ob ihr Notrufnummern, Erziehungstipps oder Familienberatung braucht, ärztliche oder logopädische Hilfe, eine_n Physiotherapeuten_in, eine_n Psychotherapeuten_in oder eine_n Logopäden_in sucht: Hier verlinken wir zu Anlaufstellen in Wien.
BriG
Fotos (c) Brigitte Vogt, Verlage: AstraZeneca, Balance Verlag, Carlsen Verlag, Kunstmann-Verlag, Mebes&Noack Verlag, Studia Verlag, Tyrolia Verlag
16 comments on “Kinderbücher, die sich mit Resilienz beschäftigen”